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EuGH: Überlange Verfahrensdauer reduziert Bußgeld nicht (mehr)

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EuGH, C‑58/12 P, 26. November 2013 – Gascogne, gegen EuGH, C-185/95 P, 17. Dezember 1998 – Baustahlgewebe (Rdnr. 47 f.):

72  Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Überschreitung einer angemessenen Entscheidungsfrist als ein Verfahrensfehler, der die Verletzung eines Grundrechts darstellt, der betreffenden Partei einen Rechtsbehelf eröffnen muss, der ihr eine angemessene Wiedergutmachung bietet (vgl. Urteil des EGMR vom 26. Oktober 2000, Kudla/Polen, Recueil des arrêts et décisions, 2000 XI, §§ 156 und 157).

73  Soweit die Rechtsmittelführerin die Aufhebung des angefochtenen Urteils und hilfsweise dessen Aufhebung, soweit damit die gegen sie verhängte Geldbuße bestätigt wurde, oder deren Herabsetzung beantragt, ist festzustellen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist in Ermangelung jeglicher Anhaltspunkte dafür, dass die überlange Verfahrensdauer Auswirkungen auf den Ausgang des Rechtsstreits gehabt hat, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, Randnrn. 190 und 196 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) …

77  Die Rechtsmittelführerin macht jedoch geltend, dass die überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht für sie kostspielige Folgen gehabt habe, und beantragt deshalb, die Geldbuße, für die sie gesamtschuldnerisch hafte, aufzuheben.

78   Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof angesichts der Notwendigkeit, die Beachtung des Wettbewerbsrechts der Union durchzusetzen, der Rechtsmittelführerin nicht aus dem bloßen Grund der Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist erlauben kann, eine Geldbuße dem Grund oder der Höhe nach in Frage zu stellen, obwohl sämtliche Rechtsmittelgründe, die sie gegen die Feststellungen des Gerichts zur Höhe dieser Geldbuße und zu den mit ihr geahndeten Verhaltensweisen vorgebracht hat, zurückgewiesen worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, Randnr. 194).

79  Daraus folgt, dass die Nichteinhaltung einer angemessenen Entscheidungsfrist im Rahmen der Prüfung einer Klage, die gegen eine Entscheidung der Kommission erhoben worden ist, mit der gegen ein Unternehmen eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Union verhängt wurde, nicht dazu führen kann, dass die mit dieser Entscheidung verhängte Geldbuße ganz oder teilweise aufgehoben wird.

80  Soweit die Rechtsmittelführerin hilfsweise zur Wiedergutmachung des wirtschaftlichen Schadens, der ihr aus der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem Gericht entstanden sein soll, eine Herabsetzung der Geldbuße beantragt, für die sie gesamtschuldnerisch haftet, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, als er mit einem ähnlichen Sachverhalt befasst war, einem solchen Antrag zunächst aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf, dass gegen einen solchen Verfahrensfehler ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss, stattgegeben und folglich die Geldbuße herabgesetzt hat (Urteil vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 48) …

82  Die vorliegende Rechtssache betrifft zwar einen Sachverhalt, der mit demjenigen vergleichbar ist, der dem Urteil Baustahlgewebe/Kommission zugrunde lag. Eine auf der Grundlage der Art. 268 AEUV und 340 Abs. 2 AEUV gegen die Union erhobene Schadensersatzklage stellt jedoch, da sie alle Fälle der Überschreitung einer angemessenen Verfahrensdauer abdecken kann, einen effektiven und allgemeinen Rechtsbehelf zur Geltendmachung und Ahndung eines solchen Verstoßes dar.

83  Der Gerichtshof gelangt daher zu dem Ergebnis, dass der Verstoß eines Unionsgerichts gegen seine Pflicht nach Art. 47 Abs. 2 der Charta, in den bei ihm anhängig gemachten Rechtssachen innerhalb einer angemessenen Frist zu entscheiden, mit einer Schadensersatzklage vor dem Gericht zu ahnden ist, da eine solche Schadensersatzklage einen effektiven Rechtsbehelf darstellt.

84  Daraus folgt, dass der Ersatz des Schadens, der durch die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer durch das Gericht verursacht wurde, nicht unmittelbar im Rahmen eines Rechtsmittels beim Gerichtshof beantragt werden kann, sondern beim Gericht selbst eingeklagt werden muss.


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